Australien: Abschaffung von „Pokies“ gefordert
Die australische Hilfsorganisation für Kriegsveteranen RSL (Returned and Services League) spricht sich aktuell für die Abschaffung der vielen Pokerautomaten (Pokies) in australischen RSL-Clubs und Pubs aus. Obwohl die hohe Dichte der Automaten bereits seit Jahren kritisiert wird, schauen die Behörden weg. Steht nun ein Umdenken bevor?
Mehr Schaden als Nutzen
Dass Australien ein Problem mit einer Unzahl von Pokerautomaten hat, ist kein Geheimnis. Über 183.000 der von den Einwohnern verniedlichend als „Pokies“ bezeichneten Maschinen sind derweil nicht nur in Spielhallen, sondern ebenso in Kneipen, Einkaufszentren, Sportklubs und sogar Discos aktiv. Jetzt erhalten die Betreiber Gegenwind von einer Gruppe junger Kriegsveteranen der Hilfsorganisation RSL, angeführt von dem 32-jährigen ehemaligen Armeeoffizier David Petersen aus Camberwell. Obgleich die Automaten der RSL zusätzliche Einnahme verschaffen, sieht Petersen in den Automaten unter dem Strich mehr Schaden als Nutzen. Im Zitat heißt es:
“Die RSL sollte aus mehreren Gründen nicht im Geschäft mit Pokermaschinen stehen, vor allem, weil es uns nicht viel Geld bringt. Ich glaube nicht, dass die Bevölkerung davon weiß. Alle denken, dass sie einen Dollar in die Maschine stecken und das Geld kommt am anderen Ende den Veteranen zugute, das stimmt aber nicht.”
Unterstützung erfährt Petersen, der als Präsident der RSL-Zweigstelle in Camberwell fungiert, unter anderem von Jono Tubby, ebenfalls Ex-Soldat und RSL-Mitglied. Tubby war bei der Marine und begeisterter Segler, schon damals habe er einen „Drink am Pokie geliebt“, wie er sagt. Als er aus unbekannten Gründen jedoch nur wenige Tage vor seinem 22. Geburtstag entlassen wurde und sich folglich in einem Arbeitsunfähigkeitsprogramm von Veterans Affairs wiederfand, ist seine Gewohnheiten zum ernsthaften Problem avanciert. Tubby diesbezüglich im Wortlaut:
“Ich bin in vielen RSL-Pubs und Clubs gelandet, habe ab elf Uhr morgens schon Bier getrunken und an den Pokermaschinen gespielt. Es war ziemlich schwer, damit zu leben. Die gesamte Dynamik der RSL muss drastisch verändert werden. Die RSL sollte keine Veranstaltungsorte mit Glücksspielen mehr betreiben.”
Besonders hohe Einsätze
Wie viel Geld Jono Tubby insgesamt an den Automaten verspielt hat, weiß er nicht mehr. Er schätzt jedoch, dass die Verluste bis zu 100.000 AU$ betragen könnten. Indessen wohnt er in einer laut eigenen Aussagen „kahlen Wohnung“, studiert und plant Fotograf zu werden. Die RSL-Lokale, in denen er früher mit Vorliebe verkehrt hat, meidet er heute. Sie „führen ihn in Versuchung“, wie er betont. Dass sich die Pokies innerhalb der letzten 30 Jahre ausgerechnet in den RSL-Etablissements als Einnahmequelle etabliert haben, bedauert er. Es sei fast so, als würde man „eine Person treten, die am Boden liegt“, so das klare Statement des Veteranen.
Zum Verständnis: Allein im australischen Bundesstaat Victoria existieren derweil etwa 280 RSL-Zweigstellen, von denen wiederum 52 Einrichtungen die bedenklichen Pokermaschinen betreiben. An den Automaten können australische Glücksspielkunden aktuell immer noch 7.500 AU$ (~ 4.700 EUR) auf einen Schlag einzahlen. Derartiges ist sonst eigentlich nur in Glücksspielhochburgen wie Las Vegas, Macao oder Monaco möglich.
Problematische Entwicklung
In David Petersens RSL-Zweigstelle in Camberwell existieren wie zu vermuten überhaupt keine Pokerautomaten. Wie bereits angedeutet vertritt Petersen die Ansicht, dass das Wohlergehen der Veteranen nicht von den Maschinen abhängig gemacht werden sollte. „Unter den sozialen Aspekten sind es die Pokies nicht wert“, so das eindeutige Kredo des Kampagnenführers. Seine Meinung untermauert Petersen derzeitig in den australischen Medien mit einschlägigen Fakten:
Im Jahr 2017 erzielten die 52 RSL-Unterzweige in Victoria, die die Automaten als zusätzliche Einnahmequelle anbieten, einen Gesamtumsatz von rund 260 Mio. AU$ (~ 233 Mio. EUR) . Von diesem fulminanten Ertrag flossen letztlich jedoch bloß vier Prozent, etwa 9,8 Mio. AU$ (~ 6,1 Mio. EUR), zurück in die sozialen Initiativen der Organisation. Es erfolgten einige Spenden an Sportvereine, dazu wurden Mahlzeiten für Rentner subventioniert.
Der hohe Aufwand mit Blick auf die Gefahren, die die seit Jahren scharf kritisierten Pokies mit sich bringen, rechnet sich laut Petersen in diesem Sinne nicht. Der Ex-Soldat plant folglich gegen den Geschäftszweig in die Offensive zu gehen, explizit tritt er damit in Opposition gegen den Ex-Brigadier Mike Annett , Staatssekretär der viktorianischen RSL, der ein überzeugter Verteidiger der Pokermaschinen ist. Sich Feinde in den eigenen Reihen zu machen, stört Petersen nicht, er erklärt:
“Ich arbeite täglich in der Selbstmordprophylaxe von Veteranen und betreue eine große Anzahl an Personen, die selbstmordgefährdet waren und bei denen Glücksspiel-, Alkohol- oder Drogenabhängigkeiten vorherrschten. Ich denke nicht, dass die RSL ein Veranstaltungsort sein sollte, der sich nach Glücksspiel- und Alkoholkomponenten richtet.”
Unterschiedliche Meinungen
Über die Rolle der Pokies und darüber, ob diese sich weiterhin in den hiesigen RSL-Clubs etablieren sollten, herrschen derweil unterschiedliche Meinungen unter den jungen Veteranen vor. Die Auffassungen reichen von „Ich bin kein Fan von Pokies“, bis zu „Niemand bringt die Leute dazu, hineinzutreten und zu spielen“.
Unter dem Strich ist jedoch allen Beteiligten klar, dass die Automaten weder aufgestellt wurden, um mit anderen Veteranen zu interagieren, noch um besonders lukrative Zusatzeinnahmen zu generieren. Dass sich Hilfsorganisationen und gemeinnützige Vereine jedoch in der Regel selbst finanzieren müssen und daher jeden Cent benötigen, liegt auf der Hand.
In eine fernere Zukunft blickt an dieser Stelle John Wells, Präsident der RSL im Stadtteil Dandenong, der australischen Hauptstadt Melbourne. Laut Wells wird sich die Frage um die Pokerautomaten quasi von selbst lösen. Grund sei eine kontinuierlich abnehmende Popularität der Maschinen: „Junge Leute nehmen Pokies im Allgemeinen nicht mehr an und interessieren sich nicht dafür, aus diesem Grund suchen wir nach Diversifizierungen und neuen Einnahmequellen“. Ob sich Wells Prognosen bewahrheiten – und ob David Petersen mit seinem Anliegen zur Abschaffung der Automaten auch höhere Behörden erreichen wird, bleibt vorerst abzuwarten.