Italien: Google entspricht Werbeverbot – oder nicht?
Um sich dem für 2019 geplanten Glücksspiel-Werbeverbot des italienischen Parlaments anzupassen, hat der Technologiekonzern Google schon jetzt entsprechende Inhalte aus seinen Suchergebnissen entfernt. Allerdings stehen nicht-lizensierte Anbieter jetzt ganz oben .
Der US-Konzern Google hat seine italienischen Werberichtlinien aktualisiert und bereitet sich somit als erstes internationales Unternehmen auf das genehmigte Mandat des sogenannten „Dignity Decree“ vor. Hierbei handelt es sich laut italienischer Regierung um eine „gesetzgebende Deklaration für die Würde des Menschen“ , die ab nächsten Januar ein Italien-weites Werbeverbot für Glücksspiele jeglicher Art vorschreibt, um so eine vermeintliche Problemspiel-Epidemie in Italien zu bekämpfen. Das Verbot gilt sowohl für TV, Radio und Internet, als auch für Sport-, Kultur- und Unterhaltungsveranstaltungen. Ebenso untersagt es glücksspielbezogenes Sponsoring im Fußball. Lediglich der italienischen Nationallotterie soll es weiterhin erlaubt sein Werbung zu schalten.
Über die ‚Vorbildfunktion‘ des im kalifornischen Silicon Valley ansässigen Internetgiganten dürfte sich Italiens seit Juni amtierende Koalitionsregierung jedoch nur bedingt freuen, denn laut dem italienischen Nachrichtendienst Agimeg , seien die entsprechenden glücksspielbezogenen Inhalte zwar bereits aus dem Ranking der Suchmaschine entfernt worden, doch habe die Angleichung das „genaue Gegenteil der Regierungsziele“ bewirkt: Internationale Betreiber ohne Italien-Lizenz sollen infolge der Selektion an die Spitze der Suchergebnisse aufgestiegen sein. Im Wortlaut heißt es:
„Der durch das ‚Dignity Decree‘ geforderte Werbe-Stopp hat mit allen legalen Betreibern des Sektors aufgeräumt und dafür den illegalen Anbietern Raum gelassen. Mit anderen Worten, ein Spieler, der eine Wette platzieren möchte, wird von Google jetzt auf illegale Seiten verwiesen, wodurch alle Ansätze des Spielerschutzes, die dem Dekret zugrunde liegen, wirkungslos gemacht werden.“
Kritische Stimmen bestärkt
Das Dekret der Würde wurde in den vergangenen Monaten hitzig diskutiert . Dass italienische Glücksspieler durch das Werbeverbot vermehrt den Tricks ausländischer, nicht-lizensierter Websites ausgesetzt seien, stand dabei von Beginn an im Fokus der Kritiker. Wie „kurzsichtig“ der Beschluss sei, würden die „anfänglichen Auswirkungen“ des neuen Google-Index zeigen, heißt es aktuell von Seiten der Opposition. Auch die kritischen Stimmen der Glücksspielbranche fühlen sich an dieser Stelle in ihren Befürchtungen bestätigt und werden lauter.
Maarten Haijer, Generalsekretär der European Gaming and Betting Association (EGBA) , bezeichnet das Verbot jüngst als „kontraproduktiv“ . Von der Regierung fordert er diesbezüglich mehr Konzentration auf eine verantwortungsvolle Glücksspielwerbung, wonach lizensierte Betreiber wie auch problematische Spieler unbedingt „gelenkt“ werden müssten, anstelle sie zu „stigmatisieren“ .
Haijer befürwortet darüber hinaus ein baldiges Eingreifen der Europäischen Union, welche nicht hinreichend über die Verordnung informiert worden wäre – dies habe Italien „vermasselt“ , heißt es in einem offenen Brief an Brüssel. Durch die Nichteinhaltung der dreimonatigen Stillhaltefrist sei das geplante Werbeverbot als unionsrechtswidrig einzustufen.
Zuspruch in seinen Ansichten findet Haijer bei in Italien lizensierten Betreibern, zum Beispiel Giovanni Garrisi, CEO des in Liverpool ansässigen Buchmachers Stanleybet International. Garrisi glaubt, dass der Erlass alsbald auf parlamentarischer Ebene geändert würde. Auf Grund der besagten Nichteinhaltung sei der italienischen Abgeordnetenkammer vergangene Woche ein Bericht vorgelegt worden, der erläutert, warum das absolute Werbeverbot „in der Tat inkompatibel“ hinsichtlich bestehender EU-Rechtsvorschriften sei, so Garrisi weiter.
Um konkurrenzfähig zu bleiben, hat die italienische Serie A unterdessen bereits angekündigt das Werbebudget ihrer Teams ab 2019 ins Ausland umzuleiten. Zwölf von zwanzig Klubs der höchsten italienischen Profifußballliga hätten in der Saison 2017/18 einen Sponsoringvertrag mit verschiedenen Sportwettanbietern abgeschlossen, wie es heißt. Diese Patenschaften würden zu den „wichtigsten Einnahmefeldern“ der Liga gehören, sie finanzieren zum Beispiel das Merchandise der Vereine und tragen somit einen Großteil der Fankultur, erklärt ein Sprecher.
Luigi Di Maio – auf der Jagd nach dem weißen Wal?
Trotz der eher bedenklichen ‚Suchmaschinen-Optimierung‘ Googles und ungeachtet der Prognosen des italienischen Nachrichtendienstes AGI , der ein Haushaltsdefizit von satten 700 Millionen Euro für die nächsten drei Jahre vorhersagt – durch mindestens zwei Prozent niedrigere Glücksspiel-Einnahmen sowie Verlusten in der Medienbranche von jährlich rund 200 Mio. Euro – hält Vizepremierminister Luigi Di Maio (M5S) weiterhin stur an seinem radikalen Kurs fest.
Wie der Minister für wirtschaftliche Entwicklung, Arbeit und Sozialpolitik aktuell (abermals) bekundet, sei das Mandat bereits erfüllt. Demzufolge werde die neue Gesetzgebung den italienischen Verbrauchern „Schutz vor den Gefahren des Glücksspiels“ bieten – hierfür fordert Di Maio von allen Interessengruppen aus Wirtschaft und Politik Unterstützung. Nach wie vor glaube er nicht, dass das Verbot die Glücksspielindustrie zerstören werde, im Gegenteil:
Es kann nicht gesagt werden, dass dadurch, dass ich die Werbung für Glücksspiele abgeschafft habe, illegale Werbung gefördert wird. Das wird nicht der Fall sein. Es wird einfach zu einer Ersetzung durch andere Industriezweige kommen, so wie es der Fall war, als Tabakwerbung verboten wurde. Luigi Di Majo , Vizepremierminister Italiens
Es scheint als wäre das neue Google-Ranking im Hagel der Kritik an Di Maio vorbeigegangen. Der erst 30-Jährige Spitzenpolitiker sei in diesem Sinne davor gewarnt, Italien aus reiner Borniertheit vom Regen in die Traufe zu führen. Ob es letzten Endes wirklich zur Einführung des flächendeckenden Glücksspiel-Werbeverbots kommt – oder ob sich Di Maios Kurs angesichts eines möglichen Einschnitts durch die EU doch als obsessive Irrfahrt erweisen wird, bleibt vorerst abzuwarten.