WSOP Online Bracelets in der Kritik

Die Organisatoren der WSOP (World Series of Poker) haben angekündigt, dieses Jahr insgesamt 85 Bracelet-Events über das Internet auszutragen. Das Vorhaben wird nicht von allen Pokerprofis und Fans befürwortet. Kritisiert wird unter anderem die Gefahr des sogenannten „Ghostings“, außerdem wird befürchtet, dass die goldenen Armbänder an Prestige verlieren. Sind die Bedenken gerechtfertigt?

Pokerspieler an den Spieltischen eines Casinos.

Mit großen Live-Pokerturnieren ist in den USA dieses Jahr nicht zu rechnen. ©ChrisMalinaoBurgett/Unsplash

Online Poker für WSOP zu unsicher?

Am letzten Montag (08.06.) wurde bekannt, dass die WSOP-Macher dieses Jahr 85 Bracelet-Events planen, die auf den Webseiten wsop.com und GGPoker.com stattfinden sollen. Die goldenen Armbänder gehen bekanntlich an die Gewinner der legendären Pokerturnierserie , die eigentlich jedes Jahr im Rio All-Suite Hotel & Casino in Las Vegas stattfindet. Wegen der Corona-Krise setzt die WSOP diesen Sommer aus .

Die Pläne zur Online Bracelet-Vergabe stoßen längst nicht bei allen Pokerprofis und Fans auf Anklang. Der vierfache Bracelet-Gewinner Jeff Madsen (35) aus Kalifornien machte deutlich, dass Online Poker Sicherheitslücken in Bezug auf sogenanntes „Ghosting“ aufweise. Erst jüngst kam es zu einem derartigen Skandal, bei dem der Pokerprofi Daniel Cates unter falschen Angaben bei mehreren Partien einer kostenlosen Poker-App mitspielte.

Beim Online Poker gebe es laut Madsen keine Garantien dafür, dass eine Person tatsächlich die ist, die sie vorgibt zu sein, selbst wenn mit echten Namen gespielt wird und die Konten verifiziert werden. Über Twitter scherzte Madsen außerdem, dass Cates das diesjährige WSOP Main Event mit drei verschiedenen Nicknames gewinnen könnte. Viel Aufmerksamkeit erzielte er damit aber nicht.

Wird das WSOP-Bracelet entwertet?

Auch Brandon Shack-Harris (40) bezog über Twitter Stellung, der zweifache Bracelet-Gewinner deutete an, dass die Verlagerung zu einem Ausverkauf des Brandings führen könnte , die Trophäe würde somit entwertet. Das goldene Armband dürfe nicht inflationär verteilt werden, sondern sei als bedeutsames Symbol zu erhalten. Das Argument fand relativ viel Zuspruch, denn schon länger wird die WSOP für ihre zunehmende Kommerzialisierung kritisiert.

Ein weiterer Kritikpunkt gegen die Online Bracelets ist, dass auf wsop.com nur Spieler teilnehmen können, die sich in den Bundesstaaten Nevada und New Jersey aufhalten. Auch die Webseite des neuen WSOP-Online-Partners GGPoker.com ist nicht weltweit zugänglich . Spekuliert wird darüber, ob die WSOP nicht doch noch in kleinerer Form als Live-Event abgehalten werden könnte, sofern internationale Reisebeschränkungen weiter gelockert werden.

Turnierplan bereits veröffentlicht

Die vorgebrachte Kritik wird die Pläne der WSOP-Macher kaum beeinflussen, denn auf der Homepage wurde bereits ein Turnierplan für die Bracelet-Events präsentiert. Vom 01. Juli bis zum 06. September sind 31 Bracelets auf wsop.com und 54 Bracelets auf GGPoker.com zu gewinnen. Bei GGPoker sind bislang noch nicht alle Varianten enthalten , doch schon bald soll das Programm ergänzt werden.

Einer der einflussreichsten Befürworter der Online Bracelets ist der US-Pokerprofi Phil Hellmuth (55), der mit 15 Bracelet-Gewinnen Rekordhalter der WSOP ist. Ein weiterer Fürsprecher ist der erfolgreichste Spieler Kanadas und sechsfache Bracelet-Gewinner Daniel Negreanu (45) , der gleichsam als Werbeträger für GGPoker fungiert. Beide Spieler haben sich gleich nach der Bekanntgabe für die Events ausgesprochen.

Corona sorgt für Online Poker-Boom

Im April wurde die Partnerschaft zwischen WSOP und GGPoker bekanntgegeben, Anfang Mai startete das Joint Venture bereits mit einer mehrwöchigen WSOP Super Circuit Online Series im GGPoker-Netzwerk durch. Dies, trotz limitierter Zugänge, höchst erfolgreich. Über 134 Mio. US-Dollar wurden ausgespielt. Da die Vergabe von Online Bracelets beschlossene Sache ist, bleibt es abzuwarten, ob sich die Bedenken von Madsen und Shack-Harris bewahrheiten.

Klar ist, dass Online Poker im Verlauf der Corona-Krise einen regelrechten Boom erfahren hat. Die Turnierserien bei PokerStars reißen schon seit Anfang März überhaupt nicht mehr ab – auf die High Roller Series folgte die Turbo Series, dann die MicroMillions und die SCOOP, welche den Höhepunkt bildete. Laut Pokerfirma sorgte der Lockdown dafür, dass über 800 Mio. US-Dollar ausgespielt wurden.

Kein Poker in den Casinos

Trotz der am 04. Juni eingeleiteten Wiedereröffnung der LV-Casinos wird bislang kaum Poker in landbasierten Etablissements angeboten. Mit größeren Live-Turnieren á la WSOP ist im Las Vegas 2020 kaum zu rechnen . Als sich die Pforten einzelner Casinos bereits um Mitternacht öffneten, wurden einige Pokerfans bitter enttäuscht. Im Binions, dem Geburtsort der WSOP, wurden die Pokertische sogar entfernt.

Kurz nach Wiedereröffnung waren das South Point und das The Orleans die einzigen Casinos, die überhaupt Pokertische in Betrieb hatten. Im Verlauf zogen das Venetian und das Golden Nugget nach. Anfang der Woche hatte das Venetian zeitweise 18 Tische gleichzeitig geöffnet , allerdings war die Anzahl der Spieler begrenzt, zudem gelten in Las Vegas vorerst strenge Abstandsregeln.

Es steht außer Frage, dass der monatelange Lockdown das Glücksspieldelta verändert und massive wirtschaftliche Schäden angerichtet hat. Die Zeitung Las Vegas Review-Journal sprach jüngst zwar von einem Aufwärtstrend, doch bis sich Las Vegas von den Auswirkungen der Pandemie erholt, dürfte einige Zeit vergehen. Der Schritt in die Onlinewelt erscheint aus Sicht der WSOP-Macher daher nur logisch.

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