Entwickeln sich PC Games zum Glücksspiel?
Computerspiele wie Star Wars Battlefront 2 und Herr der Ringe: Der Schatten des Krieges führen derzeit zu Diskussionen in der Gaming Community. Im Zentrum stehen dabei sogenannte „Lootboxen“. Diese lassen sich kaufen und enthalten zufällige Inhalte von unterschiedlichem Wert. Sind diese Boxen eine Form des Glücksspiels?
Vor allem die von den Spieleherstellern anvisierte Zielgruppe der Kinder und Jugendlichen macht diese Frage brisant. Denn während der Jugendschutz bei klassischen Glücksspielen eine erhebliche Rolle spielt, sind Computerspiele in dieser Hinsicht unreguliert. Prominente Figuren der Gamingszene fordern daher ein Umdenken der Behörden und eine Klassifizierung der entsprechenden Inhalte als Glücksspiel. So diskutiert der bekannte amerikanische Youtuber „TotalBiscuit“ das Thema in einem umfangreichen Video und fordert ein Einschreiten der Medienaufsichtsbehörde ESRB. Entsprechende Spiele sollten mindestens eine Altersbeschränkung erhalten.
John Bain, so der bürgerliche Name von „TotalBiscuit“, schilderte auch seine eigenen Erfahrungen mit Lootboxen. So habe er für Fortschritte im Mobile-Spiel „Clash Royale“ Geld ausgegeben und dabei dieselben Phänomene erlebt, wie sie Spielsüchtige schildern: Bei Erhalt wertloser Gegenstände empfand er neben Frustration vor allem den Drang, weitere Boxen zu erwerben, um endlich einen Gewinn zu erhalten. Das Gefühl der Euphorie im Gewinnfall versuchte er stets zu wiederholen. Insgesamt habe er so für ein Spiel, das grundsätzlich auch kostenlos gespielt werden kann, mehr als 1000 Dollar ausgegeben. Die psychischen Mechanismen scheinen also durchaus Parallelen zum Glücksspiel aufzuweisen. Doch reicht das bereits aus?
Die Sicht der Behörden
Auf die in verschiedenen Medien geführte Debatte haben mittlerweile auch die Behörden reagiert. Die deutsche USK (Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle), zuständig für Altersfreigaben von Computerspielen, hat dazu ein Statement veröffentlicht. Zusammengefasst besteht für die USK das Problem in der derzeit gültigen Definition von Glücksspiel. Da in Computerspielen keine Geldgewinne in Aussicht gestellt würden, fallen diese bereits aus dem rechtlichen Rahmen. Hinzu kommt, dass Spieler stets etwas für ihr Geld erhalten. Vielleicht nicht den Gegenstand, den sie haben wollten und der „wertvoll“ wäre, aber sie bekommen einen Gegenstand. Damit stünden diese Titel Sammelkartenspielen oder Losen auf dem Jahrmarkt näher. Dass also Geld für ein zufälliges Ergebnis ausgegeben wird, reicht nicht aus.
Dennoch betrachtet die USK Lootboxen kritisch. Den Prüfern sei klar, dass virtuelle Gegenstände mancher Spiele für echtes Geld gehandelt werden. Dann seien es aber diese Plattformen, die gegen das Recht verstießen. Grundsätzlich betont die Behörde, dass die Definition, was als Glücksspiel gilt, den Ländern obliege. Sie könne dann lediglich aufgrund dieser Festlegungen prüfen.
Ähnlich argumentiert auch die amerikanische Prüfbehörde ESRB. Sie gibt zusätzlich zu bedenken, dass die in Aussicht gestellten Gewinne meistens nur im Spiel einen Wert haben und dadurch kein Geldspiel im eigentlichen Sinne vorliege. Auf den Umstand des Umtausches in echtes Geld, das bei vielen Spielen über Webseiten Dritter ermöglicht wird, geht die ESRB dabei nicht ein.
Was macht Glücksspiel aus?
In China sieht die Rechtslage seit Mai 2017 anders aus. Dort müssen die Hersteller zumindest die Gewinnwahrscheinlichkeiten ihrer Zufallssysteme darstellen. So sollen die Kunden besser abwägen können, ob es sich überhaupt lohnt, Geld auszugeben. Im Westen werden diese Zahlen geheim gehalten, anders als zum Beispiel bei Spielautomaten, deren Quoten sogar unabhängig überprüft werden. Wie wichtig es den Herstellern ist, ihren Kunden die Chancen vorzuenthalten, zeigte Blizzard Entertainment. Die amerikanische Firma, die mit ihrem Titel „Overwatch“ das Lootbox-System maßgeblich etabliert hat, umgeht die Transparenzvorschrift in China bereits – sie vergeben die Boxen lieber gratis, als ihre Zahlen offenzulegen.
Denn das richtige Feintuning der Wahrscheinlichkeiten ist der Schlüssel zum Erfolg dieses Geschäftsmodells – und jeglichen Glücksspiels. Die Chancen müssen zumindest so gut sein, dass sie den Spielern Hoffnung auf ein gutes Ergebnis machen. Sie müssen aber auch so schlecht sein, dass sie viel Geld ausgeben müssen, um an die gewünschten Gegenstände zu kommen. Dass dieses Modell erfolgreicher ist als der direkte Verkauf, hat Blizzard Entertainment mit der Umstellung ihres Titels „Heroes of the Storm“ gezeigt. Hier konnte zu Beginn alles direkt gekauft werden, mittlerweile gibt es nur noch Lootboxen.
Ob es sich also bei diesen Systemen um Glücksspiele handelt, wird weiter zu diskutieren sein. Die Mechaniken erinnern zumindest sehr stark an Spielautomaten, mit bombastisch inszenierten Öffnungen der Boxen und besonderen Soundeffekten. Und das Ganze lässt sich gegen kleines Geld immer und immer wiederholen. Im Hinblick auf die Vermarktung an Jugendliche bleibt auf jeden Fall ein unguter Beigeschmack.