Kinopoker: Molly’s Game – Alles auf eine Karte
Die Biografie der einstigen Pokerkönigin Hollywoods liest sich wie das Drehbuch eines Martin Scorsese-Klassikers. Seit letzter Woche flackert „Molly’s Game – Alles auf eine Karte“ über die deutschen Leinwände. Ein Film über Aufstieg und Fall einer Frau, die alles wollte und alles bekam. Am Ende pokerte sie jedoch wahrlich zu hoch. Filmreif eben.
„Ich kann nicht zu gestern zurück. Ich war da eine andere Person. Nichts war nach diesem Abend wie vorher.“ So steht es in Molly Blooms Memoiren, über jene schicksalhafte Nacht des Jahres 2004, als sie im Keller des bekannten Celebrity-Clubs „Viper Room“ in Los Angeles erstmals einer geheimen Pokerrunde von Superreichen Drinks servierte. Geladen hatte Hollywoodstar Tobey Maguire. Bevor sie selbst Gastgeberin wurde, jobbte Bloom dort eigentlich nur als Kellnerin. In dieser Nacht ging sie mit 3000 $ Trinkgeld nach Hause und hatte Blut geleckt, kaufte sich ein Designerkleid. Ferner lernte sie alles über Poker, wappnete sich für ein neues Leben in einer Parallelwelt – einem Milieu, in dem Geld Nebensache ist, das ganz und gar von Männern dominiert wird.
Woran dachte Molly Bloom rund zehn Jahre später, in der Nacht des 16. Aprils 2013, als 20 FBI-Agenten ihre Tür aufstemmten und sie mit vorgehaltenen Maschinengewehren aus ihren Träumen rissen? Bloom war zu diesem Zeitpunkt 36 Jahre alt. Für die Szene war sie zur Marke geworden. Süchtig nach Macht und Drogen, hatte sie auf ihrem Höhepunkt vier Millionen Dollar pro Jahr verdient. Einen sexistischen Machtkampf mit Pokerstammgast Tobey Maguire hatte sie verloren. Ihre legendären, bis dahin geheimen Pokerrunden, musste sie aus Beverly Hills nach New York verlagern. Zumindest hatte sie das versucht. Denn neben Stars und Businessgrößen saß nun auch die russische Mafia mit am Tisch. Verhaftetet wurde sie, als einzige Frau unter 34 Personen, wegen illegalem Glücksspiels und Geldwäscherei in Millionenhöhe. Es war nicht der erste geplatzte Traum im Leben von Molly Bloom.
Achterbahn zwischen den Extremen
Molly Bloom wurde am 21. April 1978 in Loveland, Colorado, USA, geboren und wollte eigentlich Skifahrerin werden. So wie ihr Bruder, Jeremy, olympischer Ski-Weltmeister. Ihr Vater, Psychologie-Professor an der Colorado State University, drillte beide auf der Piste. Auch Molly schaffte es unter die Top 3 der nordamerikanischen Buckelpistenfahrerinnen, bis eine Rückenverletzung ihren Traum platzen ließ. Das ohnehin angespannte Verhältnis zum Vater verschlechterte sich weiter. Wo sollte sie hin? Mittelmaß war für niemanden in der Familie je eine Option. Nach Kalifornien ging Bloom damals nur um noch ein Jahr lang Kräfte zu tanken – für ein Jurastudium in Harvard. Den Platz hatte sie sich bereits gesichert, doch es kam anders.
Die attraktive Ex-Sportlerin machte sich stattdessen in den dunklen Hinterräumen des Viper Rooms bei einflussreichen Gästen beliebt. „Ich konnte mein Publikum lesen“ , sagt Bloom, „emotionale Intelligenz“ sei ihre Waffe. In der Tat paarte sie ihren Sex-Appeal gekonnt mit Diskretion und Professionalität: Blooms Einfluss auf den erlesenen Kreis wuchs so weit, dass sich die Spieler letztlich hinter sie stellten, als ihr Chef versuchte sie auszubooten. In der Folge verlegte Bloom die Spielrunde in die exquisiten Räumlichkeiten edler Hotels. Champagner ließ sie von schönen Frauen servieren und war nun Oberhaupt der wahrscheinlich geheimsten wie auch reichsten Pokerrunde der Welt.
Eine Teilnahme, der sogenannte Buy-in, an Molly Blooms Pokertisch kostete anfangs 10.000 US-Dollar. Es gab zehn Plätze, an sechs Tagen pro Woche wurde gespielt. Bloom wählte ihre Gäste sorgfältig. Eine Einladung von ihr zu erhalten galt als Statussymbol. Von vermeintlichen Bestechungen – Geschenke wie kostspielige Reisen, Goldbarren oder teure Autos, wie sie sagt – ließ sie sich nicht beeinflussen. Die Männer der Runde respektierten sie vollends. Sexistische Anspielungen blieben aus. Bald schon lag der Buy-in bei über 300.000 US-Dollar. „Die Augen verändern sich, die Menschlichkeit verschwindet, und die Spieler werden zu blutrünstigen Raubtieren” , schreibt Bloom in ihren Memoiren, über die Gier der Menschen, das „nicht aufhören können“. Sie erzählt von Spielern, die in einer Nacht 100 Millionen US-Dollar verzockten.
Nicht gebellt und nicht gesungen
Es waren Hollywood-Stars wie Leonardo DiCaprio, Ben Affleck, Matt Damon oder Tobey Maguire, die zu ihren Gästen zählten, ebenso wie diverse Spitzenathleten, Börsenhaie und Konzernchefs. Wer genau, wann und wie oft, wird die Öffentlichkeit wohl nie erfahren – auch der Film verrät nicht mehr als ohnehin bekannt. Dem FBI verriet sie nach ihrer Verhaftung – trotz einer ihr drohenden Haft von mehr als zehn Jahren – nicht mehr, als die Agenten ohnehin schon wussten. Der Name Molly Bloom stand und steht für absolute Integrität. Es gab viele Stimmen, die die Veröffentlichung des Films zu verhindern versuchten, heißt es in einem kürzlich erschienen Sternreport : „Es haben so viele berühmte, machtvolle Personen bei mir gespielt, die hatten Angst vor Geschichten, die ich über sie erzählen würde.”
An einem ließ Bloom jedoch kein gutes Haar: An Schauspieler Tobey Maguire, dem einflussreichsten Spieler am Tisch, der immer wieder reiche Zocker in Runde eingeführt habe. Bloom bezeichnet ihn als „Strippenzieher“ , beschreibt ihn als Borderliner und schlechten Verlierer. Für einen Chip von 1000 $ Trinkgeld habe Maguire Bloom aufgefordert, auf den Tisch zu kriechen und wie ein Seehund zu bellen, was sie mehrfach ablehnen musste. Dass ausgerechnet der als smarter Gentleman geltende Spiderman-Darsteller Maguire mit ihr einen Machtkampf einging – den Bloom letztlich verlor – wirkt ebenso seltsam und bizarr wie der Urteilsspruch, den Bloom 2014 erhielt: ein Jahr auf Bewährung, 1.000 US-Dollar Geldstrafe plus 200 Sozialstunden. Kurz nach dem Urteil brachte Bloom ihr Buch auf den Markt. Wie ein Comeback aussieht, habe Bloom beim Pokern gelernt, heißt es.
Der Film „Molly’s Game – Alles auf eine Karte“ war bei den Oscars 2018 in der Kategorie „Bestes adaptiertes Drehbuch“ nominiert. Bisher lief der Streifen, was die Einspielergebnisse angeht, ziemlich erfolgreich. Seit dem 8. März wird er nun auch in deutschen Kinos gezeigt. Laut Wikipedia wurden bislang rund 46 Mio. US-Dollar eingespielt. Molly Blooms Schuldenberg aus Anwaltskosten und Steuerrückzahlungen habe sich indessen auf ‘nur’ noch eine Million Dollar reduziert. Vielleicht geht da also noch mehr.