Live Wetten-Urteil: VG Hannover bestätigt Verbot

Ein Foto des Eingangsportals des Verwaltungsgerichts Hannover.

Das Fachgerichtszentrum Hannover. ( Bildquelle )

Infolge einer Klage des deutschen Traditionsbuchmachers Albers hat das Hannoversche Verwaltungsgericht (VG) das bestehende Verbot von sogenannten Ereigniswetten auf laufende Sportveranstaltungen bestätigt. Die Instanz beruft sich dabei auf den Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV). Albers will in Berufung gehen, dem Wettanbieter droht die Insolvenz.

Das Urteil bezieht sich konkret auf das Verbot von live Wetten auf Zwischenspielstände zu beliebigen Zeitpunkten sowie auf Tore in der Nachspielzeit. Lediglich das Wetten auf Halbzeit- und Endergebnis einer Partie ist nach Beginn des Sportevents noch erlaubt – so steht es im Glücksspielstaatsvertrag aus dem Jahre 2011. Und demgemäß entschied kürzlich (07.05) auch das Verwaltungsgericht der niedersächsischen Hauptstadt Hannover.

„Ein Tor ist etwas anderes als ein Endergebnis“, so das Fazit des Richters. Ebenso greife das Verbot auch bei Wetten auf einzelne Torschützen, schlussfolgert der Vorsitzende der 10. Kammer. Das Verbot von sogenannten Live- und Ereigniswetten wird demnach durch die Instanz bestätigt.

Darüber hinaus umfasst der Entscheid auch das weiterhin gültige Verbot Sportwetten innerhalb von Spielbanken und Spielhallen anzubieten. Der Jurist verweist auf das Trennungsgebot des GlüStV, welches vor dem Hintergrund von Spielerschutz und Suchtprävention zwar ‚klassisches Glücksspiel‘ und Sportwetten in nahestehenden Gebäuden erlaubt, jedoch nicht in ein und demselben Gebäudekomplex ( GlüStV § 3 Abs. 1 und § 21 Abs. 2 und 4 ).

Albers auf dem Abstellgleis

Ein Schwarzweißfoto der Unternehmensgründer Bernhard und Bernd Albers 1971, posierend vor ihrem Buchmacherstand.

Die Gründer: Vater Bernhard und Sohn Bernd Albers 1971 vor ihrem Buchmachstand auf einer Pferderennbahn. ( Bildquelle )

Ausgangspunkt der Debatte waren zwei Unterlassungsverfügungen des niedersächsischen Innenministeriums, welche sich gegen den seit 1970 in Hannover ansässigen Buchmacher Albers richteten. Dieser war durch die Vermittlung vermeintlich unrechtmäßiger Sportwetten aufgefallen.

Folglich wurde der Albers Wettannahmen GmbH ausdrücklich untersagt Livewetten anzubieten, ebenso wurde die Vermittlung allgemeiner Sportwetten innerhalb der eigenen Spielothek verboten. Als der Politapparat den Sportwettanbieter im selben Atemzug durch einen doppelten „Zwangsgeldfestsetzungsbescheid“ von je 10.000 Euro sanktionierte, reichte dieser notgedrungen Klage gegen die Vollstreckung ein.

„Hier wird mit zweierlei Maß gemessen. Es gibt keinen Schutz für die nationalen Anbieter“, empört sich Geschäftsführer Norman Albers über die lückenhafte deutsche Gesetzgebung. Online würden live Wetten trotz des Verbots gespielt. Da Niedersachen jedoch nicht flächendeckend kontrolliere, könne „die Online-Konkurrenz machen was sie will“, beklagt der 55-jährige.

Mit dem aktuellen Urteil des VGs Hannover wird Albers Klage als unzulässig erklärt und folglich abgewiesen. Hannover stützt sich hierbei auf die vorausgegangene Fallanalyse des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg, wo Albers Klage zuerst eingegangen war.

Die Buchmacherfamilie Albers, welche ihr Geschäft bereits seit 1949, inzwischen in dritter Generation betreibt, befürchtet vor allem im Hinblick auf die kommende Fußball-WM im Juni, die schlussendliche Insolvenz. Der Verzweiflung nah und wütend erscheint daher die Geschäftsführung: „Das will nicht in meinen Kopf, warum ich nicht darauf wetten darf, dass der Füllkrug das nächste Tor macht“, wettert Albers. Seine Sorgen und die Wut sind nachvollziehbar.

In keinem anderen Land seien die Gesetzte so streng wie in Niedersachsen, erklärt der Akademiker, der seine Promotionsarbeit einst über die „Ökonomie des Glücksspielmarktes“ verfasst hat. Das zweitgrößte Bundesland der Republik würde Glücksspielverbote „in Salamitaktik“ aussprechen, wohingegen es in Ländern wie Nordrhein-Westfalen oder Sachsen „keine Bedenken“ gäbe.

Hannovers juristische Obrigkeit zeigt zwar Verständnis für Albers missliche Marktsituation, doch sieht sich der Gesetzgeber a href=” http://www.neuepresse.de/Nachrichten/Niedersachsen/Uebersicht/Gericht-Keine-Wetten-auf-Tore-oder-Restspielzeit” target=”_blank”>hier dennoch zu Recht gefordert: „Uns sind da die Hände gebunden, das ist keine Frage der Rechtsanwendung, sondern der Rechtsschaffung.“

Trotz aus Tradition

Ein Zeitungsfoto des 55jährigen Albers-Geschäftsführers Norman Albers.

Angesichts der wachsenden Internet-Konkurrenz sind Livewetten zur WM für ihn unabdingbar: Norman Albers, Geschäftsführer der dritten Generation. ( Bildquelle )

In der Tat ist das norddeutsche Niedersachen als Kernland für einen nationalen Wettanbieter eher Schlachtfeld als Komfortzone: Bereits im Jahr 2009 untersagte das rund 8 Mio. Einwohner starke Bundesland die nicht staatliche Vermittlung von Sportwetten gänzlich. Albers musste sein Sortiment auf Eis legen. Als wortwörtliches Steckenpferd wurden fortan wieder Wetten auf Pferderennen vertrieben, wofür die Wettmarke bis heute hauptsächlich bekannt ist.

Nachdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) 2010 die Rechtswidrigkeit deutscher Sportwettmonopole beschlossen hatte, hielt einzig Niedersachen noch an dem Verbot fest. Infolge der drastischen Rechtsprechung musste Buchmacher Albers 2011 Sanierungsinsolvenz anmelden. Die Verluste durch das vermeintlich willkürlich verhängte Sportwettverbot waren nicht länger zu kompensieren.

Erst 2012 lenkte Niedersachsen ein und erteilte der Albers Wettannahmen GmbH die erste private Sportwettlizenz Deutschlands. Das Unternehmen erholte sich. Indessen besitzt der Wettbetreiber auch außerhalb Hannovers Filialen, beispielsweise in Bad Harzburg, Hildesheim, Hamburg, Bremen, Magdeburg, Dresden und Braunschweig, wo zudem eine Spielothek betrieben wird. Insgesamt beschäftigt das Unternehmen über 200 Arbeitnehmer.

Albers fast siebzigjährige Unternehmenschronik gleicht einer Sinuskurve. Bisher hat der Traditionsbuchmacher letztlich allen Regressionen trotzen können. Nun sieht er sich abermals in seiner unternehmerischen Existenz bedroht und scheint auf diesem Terrain ironischerweise einen ‚Heimvorteil‘ innezuhaben.

Um sich zukünftig gegen den ebenso boomenden wie unregulierten Online-Glücksspielsektor zu behaupten, will Norman Albers jetzt ein weiteres, vielleicht letztes Mal mit der niedersächsischen Justiz in Clinch gehen – ein Zulassungsantrag auf Berufung ist schon gestellt worden, wie es heißt.

Doch Albers eigentlicher Gegner wird sicher auch dieser Verhandlung fernbleiben und sich stattdessen womöglich am Strand von Malta oder Gibraltar sonnen. Wie mächtig muss ein Gegner sein, wenn selbst die niedersächsische Regierung einer konsequenten Regulierung scheut?

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