Nationale Glücksspielaufsicht gefordert
Bei dem diesjährigen Glücksspiel-Symposion an der Universität Hohenheim wurde den Bundesländern ein vernichtendes Zeugnis ausgestellt. Angesichts des „Versagens der Länder“ fordern Experten die Einrichtung einer Aufsichtsbehörde des Bundes.
Vor allem der Leiter der Forschungsstelle Glücksspiel der Uni Hohenheim, Prof. Dr. Tilman Becker, ließ kein gutes Haar an der derzeitigen Zuständigkeit der einzelnen Bundesländer für das Online Spiel. Das föderale Regulierungssystem führe zu chaotischen Zuständen und sei überaus anfällig für Abweichungen einzelner Landesregierungen. Damit spielt Becker unter anderem auf den Alleingang Schleswig-Holsteins an, das von 2011 bis 2013 einen Sonderweg wählte und Lizenzen an Buchmacher und Casinos im Internet vergab. Auch die letzte Reform des Glücksspielstaatsvertrages, geplant für den 1.1.2018, scheiterte an der Ablehnungshaltung einiger Landesregierungen.
Die teilweise bewusst laxe oder sogar destruktive Haltung mancher Länder hat Deutschland zu einem Schutzraum für illegale Glücksspieler gemacht. Ein einziges Bundesland kann die Regulierung in allen Bundesländern aushebeln. Prof. Dr. Tilman Becker , Leiter der Forschungsstelle Glücksspiel
Die Zuständigkeit der Länder sei ein „Konstruktionsfehler“ , der dramatische Folgen zeitige. So sei der Onlinemarkt für Glücksspiele „zu 95 % von illegalen Anbietern beherrscht“ , die weder in ausreichendem Maße reguliert seien noch Steuern zahlten. Dadurch entgingen dem deutschen Fiskus jährlich geschätzte 500 Millionen Euro, so der Glücksspielexperte. Dabei geht der Forscher von einem Casino-Schwarzmarkt mit Jahreseinnahmen von rund zwei Milliarden Euro aus.
Der Bund soll es richten
Becker beließ es aber nicht bei einer Schelte in Bezug auf das Chaos bei den Internetcasinos. Auch der Onlinevertrieb von Sportwetten befinde sich in desolatem Zustand: „[…] Seit 2012 kommen die Länder mit der Lizenzvergabe nicht voran.” Tatsächlich ruhen seitdem die unter Federführung des Landes Hessen eingeleiteten Konzessionierungsverfahren. Unter anderem rechtliche Bedenken der EU hatten die Vergaben ausgebremst, hinzu kamen Klagen nicht berücksichtigter Unternehmen. Dennoch stünden die Buchmacher unter „Bestandsschutz“ und könnten von den Behörden unbehelligt im Netz aktiv sein. Diese Unternehmen hätten ein „großes wirtschaftliches Interesse […], die derzeitig für sie sehr vorteilhafte Situation […] aufrecht zu erhalten.“
Letztlich bedürfe es nach Ansicht des Wissenschaftlers einer Bundesbehörde, die für eine Vereinheitlichung der Regulierung des Onlinemarktes sorgen müsse. Unterstützung für diesen Vorschlag erhält Becker auch von Prof. Dr. Armin Dittmann, als Jurist Teilnehmer des Symposiums. Der Experte für öffentliches Recht hält die Einrichtung einer solche Behörde auch unter der derzeitigen Zuständigkeit der Länder für möglich. Diese könnten ihre Aufsichtsfunktion einer Bundesanstalt öffentlichen Rechts übertragen, „[…] die ähnlich wie die bundesweite Bankenaufsicht BaFin arbeitet“ . Auch personell müsste aufgestockt werden, derzeit seien laut Tilman Becker lediglich 16 Beauftragte in Deutschland für das Glücksspiel zuständig, „aus jedem Bundesland einer. In Frankreich und Spanien sind es über 100.“
Auch das Thema des stationären Glücksspiels in Deutschland kam auf dem Symposium zur Sprache. Hier wurde der Vorstoß Hessens gelobt, den Spielerschutz durch landesweite Selbstsperren in Spielhallen zu erhöhen. Diese Möglichkeit bestünde im Bereich der staatlichen Spielbanken bereits seit Jahrzehnten, sollte aufgrund der Suchtgefahren durch Automaten aber auch bundesweit für Spielotheken eingeführt werden, so die Meinung der Diskussionsteilnehmer.