Spielhallen in Baden-Württemberg: Klagewelle befürchtet
In Baden-Württemberg bereiten sich Gemeinden und Betreiber auf die Schließung zahlreicher Spielhallen vor. Die im Glücksspielstaatsvertrag festgelegten Mindestabstände zwischen Spielstätten betreffen bis zu 5.000 Betriebe, die sich auf juristischem Weg gegen die Schließungen wehren wollen.
Die Kreisstadt Herrenberg nahe Stuttgart nimmt dabei eine Vorreiterrolle ein. Hier sollen drei der vier ortsansässigen Spielhallen geschlossen werden. Das Ergebnis des Verfahrens in Herrenberg könnte als juristische Grundlage für die gesamte Region gelten. Entsprechend vorsichtig geht die Stadt bei den Schließungen vor. Die Umsetzung soll erst erfolgen, wenn letztinstanzliche Entscheidungen der Gerichte vorliegen. So sollen etwaige Schadensersatzklagen seitens der Betreiber gegen die öffentliche Hand vermieden werden.
Alle vier Betreiber haben angekündigt, zu klagen. Die Spielhallenbetreiber haben nicht nur Geld, sondern auch gute Anwälte.“
Dieter Bäuerle , Ordnungsamt Herrenberg
Die rechtliche Grundlage der Schließungen bildet der Glücksspielstaatsvertrag von 2012. Zentrales Anliegen des Gesetzes ist die Verminderung des Angebotes von Glücksspielen und der damit angestrebte Schutz vor Spielsucht. Zur Erreichung dieses Ziels ist ein Mindestabstand von 500 Metern zwischen den Spielstätten vorgesehen. Weiterhin dürfen die Betriebe nicht in der Nähe von weiteren Einrichtungen wie zum Beispiel Schulen angesiedelt sein. Die Details der Mindestabstandsregelung wurden 2015 überarbeitet und treten Mitte 2017 in Kraft. Städte und Gemeinden müssen bis dahin die betroffenen Spielhallen über die anstehende Schließung informieren. Diese haben die Möglichkeit dem entsprechenden Bescheid zu widersprechen und zu klagen.
Sie können sich dabei auf eine im Staatsvertrag vorgesehene Härtefallregelung berufen. Diese würde ihnen die Fortsetzung des Betriebes bis 2021 ermöglichen. Um als Härtefall anerkannt zu werden, können sich die Unternehmen unter anderem auf kürzlich getätigte Investitionen in ihren Betrieb berufen. Dass die Betreiber von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, ist bereits jetzt abzusehen. In Stuttgart Mitte hätten sich sämtliche 55 von der Schließung bedrohten Spielhallen laut Stuttgarter Zeitung bereits vorsorglich zu Härtefällen erklärt.
Mindestabstandsgesetz wird dem Spielerschutz nicht gerecht
Nach Schätzungen der Forschungsstelle Glücksspiel an der Universität Hohenheim müssten etwa zwei Drittel der Glücksspielstätten die Baden-Württemberg geschlossen werden, um den Mindestabstandsregelungen zu entsprechen. Sollten diese Betriebe den Klageweg beschreiten, was nach derzeitigem Kenntnisstand zu erwarten ist, kämen auf die Gerichte 5.000 Verfahren zu.
Der Aufwand steht in keinem Verhältnis zum Ergebnis. Die Abstandsregelung bringt in dieser Form nichts.“ Tilman Becker , Forschungsstelle Glücksspiel , Universität Hohenheim
Wissenschaftler Becker geht davon aus, dass eine Ausdünnung der Spielhallen der Suchtbekämpfung nicht genügen würde. Erst erhebliche Entfernungen von mindestens 30km vom Wohnort zur nächsten Spielhalle würden Wirkung zeigen – nach den jetzigen Planungen würden die Zocker einfach auf die verbliebenen Angebote ausweichen.
Von einem erfolgreichen Verfahren der Schließungen geht Becker aber ohnehin nicht aus. Es sei wahrscheinlicher, dass sich durch die anhängigen Verfahren, die sich über Jahre hinziehen dürften, ein Graubereich der Spielhallen wie bei den Wettbüros etablieren würde. Am Ende würde de facto „nichts passieren“. Ein Hauptproblem der Umsetzung des Glücksspielstaatsvertrages liegt auch darin begründet, dass nicht vorgegeben ist, welcher Anbieter bei Unterschreitung des Mindestabstands zu weichen hat. Das Land Niedersachsen setzt daher beispielsweise ein einfaches Losverfahren ein – der Gewinner darf bleiben. Damit ist man zwar thematisch nah am Glücksspiel dran, die Rechtmäßigkeit einer solchen Zufallsentscheidung darf aber als höchst zweifelhaft betrachtet werden. Auch in Baden-Württemberg dürfte es keine einfachen Lösungen zur Begrenzung des Glücksspiels geben. Eher ist eine jahrelange Hängepartie vor Gericht zu erwarten. Dem Spielerschutz wären die Beteiligten damit keinen Schritt näher.