11 Spielhallen verklagen Duisburg
Auf Grund der Inkraftsetzung des Glücksspiel-Staatsvertrags (GlüStV) sind seit 2017 inzwischen 22 Duisburger Spielhallen geschlossen worden. Elf Spielhallen wehren sich dagegen jetzt per Klage. Ein Trend, der sich momentan in ganz Nordrhein-Westfalen (NRW) zu etablieren scheint, doch wie hoch ist die Aussicht auf Erfolg?
Infolge der seit Dezember 2017 gültigen, verschärften Glücksspiel-Gesetzgebung sieht sich das Verwaltungsgericht der Ruhrgebiets-Stadt Duisburg aktuell mit einer Klagewelle konfrontiert: Mindestens 11 von bisher 22 geschlossenen Spielotheken versuchen juristisch gegen die Entziehung ihrer Konzessionen vorzugehen. Die Räumungen werden hier in den meisten Fällen durch die ‚neue‘ Mindestabstand-Regel bedingt – diese beträgt in NRW 350 Meter, was sich besonders im dichtbesiedelten ‚Kohlenpott‘, wo sich über 10 Mio. Menschen auf über 14 Städte verteilen, negativ auf die Automatenwirtschaft niederschlägt. Zusätzlich gilt der Mindestabstand auch im Hinblick auf Schulen und Kitas.
In Duisburg hatten sich auf einer Fläche von rund 233 Quadratkilometern ursprünglich 128 Spielotheken etabliert. Allein auf der Weseler-Straße im Stadtteil Marxloh, ein deutschlandweit bekannter sozialer Brennpunkt, liegen acht der betroffenen Spielotheken in einem einzigen 350 Meter-Radius. Fünf weitere liegen im Stadtteil Hochfeld zu dicht beieinander. Zudem befinden sich weitere Spielhallen-Siedlungen in den Vierteln Rheinhausen und Stadtmitte. Das Nachrichtenportal RP-Online spricht von unzähligen Angeboten für Spieler.
Wie die WAZ berichtet, ist die Spielhallen-Selektion laut Duisburger-Stadtverwaltung auch noch längst nicht abgeschlossen, hier gebe es keine Alternative , heißt es. Stadtsprecherin Gabi Priem betont kurz und knapp: „Wir sind dran.“ Wie viel Spielotheken letzten Endes in Duisburg betrieben werden dürfen, könne man derzeitig jedoch noch nicht abschätzen, ebenso wenig, wie viele Klagen noch folgen. Es werde deshalb noch „etwas Zeit brauchen“, man „bitte um Verständnis“, so Priem abschließend.
In jedem Fall dürfte das Spielhallen-Sterben für Duisburgs ohnehin mauen Haushalt nur schwer zu verkraften sein: Trotz seines größten Binnenhafens der Welt, verläuft die Konjunktur des Rhein-Ruhr-Knotenpunkts seit Jahren rezessiv. Zudem ist die 500.000 Einwohner-Stadt hochverschuldet: Laut Radio Duisburg belaufen sich die Rückstände zurzeit auf satte 3 Mrd. Euro. Dementgegen haben sich die Spielhallen-Einnahmen zwischen 2013 und 2017 kontinuierlich gesteigert, von rund 6,9 auf 7,5 Mio. Euro. Zumindest ein Teil der Erträge kommt der Stadtkasse zugute.
Glücksspielrechtliche Erlaubnis: Abgelehnt
Gabi Priem äußerte sich indessen auch hinsichtlich neuer Erlaubnisanträge, die allerdings seit Ende 2017 allesamt abgelehnt worden seien. Priem verweist hierzu auf die weiterführenden in NRW geltenden Richtlinien: Bereits im August 2017 hatte das Oberverwaltungsgericht Münster (OVG) beschlossen fortan eine grundsätzliche, von der jeweiligen Kommune auszustellende, glücksspielrechtliche Erlaubnis zur Spielhallen-Eröffnung vorzuschreiben. Um die Genehmigung zu erhalten, müssen nach neuer Gesetzeslage diverse Kriterien erfüllt werden.
Die „persönliche Zuverlässigkeit“ aller vermeintlichen Betreiber werden laut Priem durch das Ordnungsamt überprüft. Im Fokus der Beurteilung stehe dabei erstens das polizeiliche Führungszeugnis, zweitens werde jeder Anwerber einer Schuldenprüfung unterzogen. Beschwerden und Ordnungswidrigkeiten über bereits bestehende Betriebe würden außerdem genau protokolliert. Darüber hinaus sind auch Casino-Multikomplexe verboten worden – das heißt, zum Beispiel Kombinationen aus Spielhalle und Wettbüro – ebenso wurde die Anzahl an Geldspielautomaten auf 12 pro Betrieb begrenzt.
Während NRWs Branchenvertreter in Anbetracht des GlüStVs gar ein 70 prozentiges Casino-Massensterben für das bevölkerungsreichste (~ 18 Mio. Einwohner) Bundesland der BRD prognostizieren – NRW hat über 4.200 Spielhallen – sehen Glücksspielkritiker, Spielsuchtverbände und Suchtexperten in den Maßnahmen hingegen einen entscheidenden Fortschritt: Schätzungsweise über 40.000 Menschen in NRW gelten als spielsüchtig. Die drastische Reduzierung fördere obendrein auch die Attraktivität im städtischen Lebensraum, heißt es.
Klagen in ganz NRW – Kommunen verunsichert
Die Spielhallen-Besitzer NRWs machen derweil nicht nur im als Spielhallen-Hauptstadt berüchtigten Duisburg juristisch mobil. Seit einigen Monaten werden praktisch im ganzen Bundesland Klagen erhoben: Laut WDR so zum Beispiel auch in Essen, Dortmund, Bochum, Düsseldorf, Köln, Mönchengladbach oder Münster. Summa summarum zählte NRW laut Medienberichten schon im vergangenen März über 3000 Klagen – obgleich der Automatenwirtschaft infolge der bereits 2011 verabschiedeten Gesetzes-Novelle eine Vorbereitungszeit von sechs Jahren eingeräumt wurde.
Die Kläger beziehen sich zumeist auf Härtefall-Regelungen und Eigentumsrechte, die Durchsetzung der neuen Standards wird hierdurch allem Anschein nach maßgeblich behindert: Dass die Gerichte bislang „keine Schließungen oder zumindest keine sofort vollziehbaren Schließungen verfügt haben“ , sei „landesweit zu beobachten“ , heißt es dazu von Damir Böhm, juristischer Berater des Spielhallen-Fachverbands . Fast alle Fälle befänden sich demnach noch (oder nur) ‚in Bearbeitung‘, womit der Anwalt nicht falsch liegt.
Besonders deutlich wird die Diskrepanz am Beispiel Mühlheim an der Ruhr , wo strenggenommen nur noch 17 Spielhallen á 12 Automaten in Betrieb sein dürften, nach wie vor jedoch insgesamt 620 Slot-Maschinen in 60 verschiedenen Etablissements zum Einsatz bereit stehen. Unter dem Strich herrscht (bekannterweise) judikative Verunsicherung an den Verwaltungsgerichten, nicht nur denen NRWs.
In ganz Deutschland, wo Glücksspiel-Regulierung den einzelnen Bundesländern obliegt, vollzieht sich die GlüStV-Etablierung auffallend schleppend. Im Kontext der Rechtsprechung hatte der Bielfefelder Fachverband-Glücksspielsucht schon im Herbst 2017 „keine Einheitliche Umsetzung“ für die Bundesrepublik prophezeit. Wie lange die Städte und Kommunen Deutschlands noch in derart fundamentaler Juristerei von ihren Landesregierungen allein gelassen werden, bleibt wohl noch länger abzuwarten.