Britische Buchmacher an den Börsen unter Druck
Die Firmen William Hill und Ladbrokes haben am Montag mehr als 10% an Wert verloren. Als ursächlich gelten anstehende Änderungen bei Einsatzlimits. Die Unternehmen sprechen von unbestätigten Gerüchten. Doch wenn Gerüchte solche Verwerfungen erzeugen, was passiert dann im Ernstfall?
Die britische Regierung plant das Spiel an Wett-Terminals sicherer zu machen. Zur Debatte stehen unter anderem drastisch reduzierte Einsatzlimits. Von derzeit wettbaren 100 Pfund könnten am Ende lediglich 2 Pfund übrig bleiben. Das führt bei den Anlegern nach Ansicht von Experten derzeit zu Besorgnis. Sie verkaufen Aktien der am stärksten betroffenen Anbieter: William Hill (-13%) und Ladbrokes Coral (-10%) mit ihren tausenden Wettbüros. In diesen stehen die fraglichen Geräte, die sogenannten Fixed-odds-betting-terminals (FOBTs). Sie gelten als hochgradig gefährlich, als das „crack cocaine“ unter den Spielautomaten. Und gleichzeitig als hochprofitabel für die Industrie. Denn Spieler können hier in kurzer Zeit hohe Summen verzocken. Alle 20 Sekunden können beim virtuellen Roulette 100 Pfund gesetzt werden. Der Verlust dieser Einnahmen könnte erheblichen Schaden anrichten – auf Unternehmerseite. Industrievertreter werden daher nicht müde, die Wirksamkeit strengerer Regeln in Frage zu stellen und ein maßvolles Vorgehen der Behörden anzumahnen.
Wir stellen klar, dass Einsatzbeschränkungen scheitern werden, Probleme mit Spielsucht adäquat anzugehen. Und die Industrie hat immer betont, dass Einsatzlimits ernsthafte Konsequenzen haben werden: Schließung von Wettbüros, Verlust von Arbeitsplätzen und Steuereinnahmen sowie fehlende Finanzierung des Rennsektors. Jim Mullen , CEO von Ladbrokes
Doch das zuständige Ministerium für Digitales, Kultur, Medien und Sport (DCMS) scheint anderer Auffassung zu sein. Zumindest besagen das die Gerüchte, die den aktuellen Kurssturz bewirkt haben sollen. Der neue Kulturstaatssekretär Matthew Hancock plane einen „crackdown“, ein hartes Durchgreifen gegen die FOBTs. Denn die Geräte haben nicht zuletzt durch kritische Berichterstattung in den Medien einen miserablen Ruf. Und Glücksspiel wird in der britischen Gesellschaft zunehmend als Problem wahrgenommen. Eine Limitierung der Einsätze dürfte daher von vielen Seiten begrüßt werden.
FOBTs sind keine normalen Automaten
Die Terminals stellen eine Anomalie im britischen Glücksspiel dar. Denn sie nutzen eine Lücke in den Regulierungen aus, die zwischen Spielautomaten einerseits und Casinospielen wie Roulette und Blackjack andererseits unterscheiden. Der Einsatz an normalen Slots ist in Großbritannien wegen der hohen Spielgeschwindigkeit auf 2 Pfund pro Spin begrenzt. Doch FOBTs enthalten Casinospiele, meistens Roulette. Hier gilt der Höchsteinsatz von 100 Pfund und ein Höchstgewinn von 500 Pfund. Je nach Art der Wette gelten also weit höhere Limits. Auf eine einzelne Zahl können maximal 14 Pfund gesetzt werden, im Gewinnfalle erhielte man so 490 Pfund. Auf einfache Wetten wie Gerade/Ungerade Zahl können 100 Pfund gesetzt werden. Das Problem besteht nun darin, dass eine Runde virtuelles Roulette nicht wesentlich länger dauert als ein Spin am Automaten, nämlich etwa 20 Sekunden. Da beim Roulette jeweils ein Totalverlust des Einsatzes droht, können binnen Minuten Tausende Pfund verzockt oder gewonnen werden, was für krankhafte Spieler einen enormen Reiz bedeutet.
Die Geräte wurden erstmals 2001 auf den Markt gebracht und ein Jahr später um Roulette ergänzt. Zu diesem Zeitpunkt waren sie vollkommen unreguliert. Erst drohende Gerichtsverfahren veranlassten die Betreiber zur Aufstellung eines eigenen Code of Practice , der im Wesentlichen bis heute gilt. Doch aus den wenigen Maschinen des Anfangs sind mittlerweile Zehntausende geworden und jedes FOBT bringt im Jahresdurchschnitt 55.000 Pfund ein – ein Milliardengeschäft zu Lasten der oft ärmsten Bevölkerungsschichten. Die Geräte würden besonders häufig von Menschen frequentiert, die sich das Glücksspiel gar nicht erlauben können, monieren Kritiker. Die Buchmacher seien vor allem in strukturschwachen Regionen präsent, weil ihre Geräte dort einen besonderen Reiz ausüben können.
Die Industrie bangt
Die enormen Kursverluste der größten Buchmacher angesichts von Gerüchten zeigen deutlich, wie wichtig die FOBTs für die Industrie geworden sind. Während strengere Regeln dem Spielerschutz nützen dürften, würden gleichzeitig Arbeitsplätze im gesamten Glücksspielsektor gefährdet.
Die Wirkung dieses Gerüchtes auf unseren Aktienkurs illustriert die drastischen Auswirkungen, die eine solche Regulierung auf die Wettbüros hätte. Zusätzlich zu Tausenden verlorenen Arbeitsplätzen und geschlossenen Läden würde ein 2 Pfund Einsatzlimit im Grunde das Ende der FOBTs bedeuten. Dadurch gingen den Rennbahnen Millionen verloren, da jedes Büro 30.000 Pfund für die Medienrechte zahlt. Philip Bowcock , William Hill CEO
Bis zu einer endgültigen Entscheidung der britischen Regierung wird es indes nicht mehr lange dauern. Am heutigen Dienstag endet die Anhörungsphase zu dem Thema, drei Monate hatten Betroffene und Industrie Gelegenheit, sich zur Zukunft der Automaten zu äußern. Die Aufgabe für die Behörden ist nicht einfach, die Gamblingindustrie ist ein wichtiger Wirtschaftszweig mit vielen Beschäftigten. Doch eine gute Begründung dafür zu finden, pro Minute 300 Pfund verzocken zu können, dürfte noch schwieriger sein.
Video der Kampagne Stop FOBTs