Deutsches Glücksspielrecht: Erneute Rüge aus Brüssel

Die Reformvorschläge für das deutsche Glücksspielrecht stoßen in Brüssel auf wenig Begeisterung. Die Süddeutsche Zeitung berichtet von einem vertraulichen Schreiben. In diesem finden die Wettbewerbshüter der EU harsche Worte für die geplanten Gesetzesänderungen. Besonders ärgerlich für die verantwortlichen Ministerpräsidenten: Sie wollten mit ihren Vorschlägen endlich eine europarechtskonforme Regelung schaffen und das Thema nach Jahren negativer Urteile des Europäischen Gerichtshofes (EUGH) abhaken.

Die EU rügt deutsche Glücksspielreform

Foto: Pixabay Wie das Gesetz – so die Reform: Die EU bemängelt die Vorschläge der Ministerpräsidenten

In vielen EU-Mitgliedsländern ist es privaten Unternehmen erlaubt, Lizenzen zur Veranstaltung von Glücksspiel zu beantragen. Erfüllen sie die Regulierungsvorgaben, dürfen sie, oft parallel zu staatlichen Anbietern, Sportwetten, Lotterien und Casinospiele offerieren. Aufgrund der europäischen Dienstleistungsfreiheit dürfen sie ihre Produkte prinzipiell auch in anderen EU-Ländern anbieten. In Deutschland unterliegt das Glücksspiel, mit Ausnahme von reinen Spielhallen mit ihren Automaten, allerdings dem Monopol des Staates. Der sich daraus ergebende Widerspruch der Rechtssysteme ist vom EUGH mehrmals festgestellt worden. Die Forderung aus den Urteilen ist eindeutig: Der deutsche Staat muss die Dienstleistungsfreiheit auch in diesem Bereich zulassen.

Die letzte größere Reform im Jahr 2012 sollte den Markt zunächst für die Buchmacher von Sportwetten öffnen. Die zahlenmäßige Beschränkung auf 20 Lizenzen hatte aber weder vor deutschen, noch vor europäischen Gerichten Bestand. Am Ende wurde keine einzige Lizenz vergeben, das Verfahren litt nicht nur unter rechtlichen, sondern auch unter verwaltungstechnischen Mängeln.

Nun könnte man sich wundern, warum es in Deutschland derartig viele Wettbüros gibt. Diese treten allerdings nur in einer Vermittlerrolle auf: Die tatsächlichen Anbieter befinden sich im europäischen Ausland. Diese Unternehmen zahlen allerdings bereits heute besondere Abgaben, ganz so als wären sie lizensiert. Sie werben auch im Fernsehen und bei Sportvereinen. Rechtlich gesehen könnte der Staat vermutlich dagegen vorgehen, es gibt allerdings keinen Vollzug in diesem Bereich. Es ist vermutlich auch der Politik klar, dass ein Einschreiten gegen völlig legal auftretende Unternehmen nach vielen Jahren der Duldung nur schwerlich zu vermitteln wäre. Auch die erst kürzlich wieder gestiegenen Steuereinnahmen aus Sportwetten dürften ihren Anteil an dieser Situation haben.

Ganz ähnlich sieht es im Bereich der Online Casinos aus. Auch diese haben in aller Regel keine deutschen Lizenzen, mit Ausnahme einiger weniger Konzessionen aus einer Experimentierphase in Schleswig-Holstein. Und gerade an diesem Punkt setzt die Kritik der EU an. Die Reformpläne der Ministerpräsidenten stellten „keine tragfähige Lösung“ für Online Casinos dar – die Länder wollen hier nämlich keinerlei Lizenzen vergeben und mit Finanzsperren gegen die Anbieter vorgehen. Aber auch für die Sportwetten sehen die EU-Experten „mögliche Widersprüche“ und eine Dauer von einem Jahr vom Antrag bis zur Erteilung einer Lizenz sei unzumutbar lang.

Es bedarf wenig Fantasie, um sich erneute Klagen der Online Casino Anbieter gegen Deutschland vorzustellen. Und auch die Ergebnisse dürften wie gewohnt ausfallen: Die Bundesrepublik missachtet die Dienstleistungsfreiheit. Mehr Vorstellungskraft braucht man allerdings, um sich das Vorgehen der Länderchefs zu erklären. Wäre es nicht bedeutend sinnvoller, anhand strenger Kriterien Lizenzen an Online Casinos zu vergeben?

Diese wären damit steuerpflichtig und könnten dem Gemeinwohl nützen, anstatt zum Aufschwung in Malta und Gibraltar beizutragen. Oder versuchen die Länder, bestehende stationäre Casinos und Staatsunternehmen wie Oddset zu schützen? Dem Spielerschutz erweisen sie mit ihrer Haltung auf jeden Fall einen Bärendienst. Diese können weiterhin ungehindert über das Internet spielen und müssen sich auf Regularien aus dem Ausland verlassen. Der als vergleichsweise rigide geltende deutsche Verbraucherschutz greift leider nicht.

In zwei Wochen jedenfalls tritt die Ministerpräsidentenkonferenz erneut in Berlin zusammen. Der Glücksspielstaatsvertrag und die erneute Rüge aus Brüssel dürften also wieder einmal diskutiert werden. Sollten die Pläne nicht geändert werden, dürfte die EU als Ultima Ratio ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland einleiten.

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