„Duldungsvereinbarungen“ retten deutsche Spielotheken vor dem Aus!
Eigentlich sollten die verschärften Regelungen im neuen Glücksspielstaatsvertrag dazu führen, dass die Anzahl der Spielhallen in Deutschland reduziert wird. Gewährleistet werden sollte dies durch den Mindestabstand von 500 Metern, die Spielotheken ab jetzt einhalten müssen. Viele Betreiber plädieren jedoch auf Härtefall und profitieren von „Duldungserklärungen“ mit den Gemeinden und Kommunen.
Am 1. Juli traten alle Regelungen des neuen Glücksspielstaatsvertrages in Kraft und die 5-jährige Übergangsfrist für bereits bestehende Spielhallen endete. Somit gilt ab diesem Zeitpunkt der Mindestabstand von 500 Metern zu Spielotheken. Damit wollte man staatlicherseits die Konzentration des Glücksspiels in den Innenstädten vermeiden. Außerdem ist ein Mindestabstand zu Schulen, Kindertagestätten sowie anderen Einrichtungen für Jugendliche vorgesehen. Betreiber, die diese Vorgaben nicht erfüllen, hätten nun eigentlich schließen müssen. Wie jedoch in der Vergangenheit bereits berichtet, antworteten die Spielhallen mit Härtefallanträgen und Klagen. In Hamburg und Lüneburg sind solche Fälle bekannt geworden.
Spielhallenschließungen blieben aus – erste Ergebnisse aus Baden-Württemberg
Vor Inkrafttreten der Änderungen des Glücksspielvertrages wurde von einer Schließungswelle von Spielotheken berichtet. Davon ist relativ wenig zu merken, da viele Betreiber eine Härtefallregelung beantragt haben oder vor Gericht klagen. Die meisten Verfahren laufen noch und die Gemeinden sind teilweise überlastet.
Zwar wollte man mit den neuen Regelungen die „Kanalisierung des natürlichen Spielbetriebs“ erreichen, aber in Praxis haben viele Städte Schwierigkeiten mit dem Vollzug. Zwar ist geklärt, dass Spielhallen einen Abstand von 500 Metern einhalten müssen, aber es ist rechtlich nicht klar, welche der beiden Parteien schließen muss. In Niedersachsen sollte beispielsweise ein willkürliches Losverfahren über die Schließung entscheiden, wogegen es in der Vergangenheit Demonstrationen gab . Teilweise scheinen die Städte auch nicht an Auseinandersetzungen mit den Betreibern interessiert zu sein, da sie die Mehrkosten durch Klagen fürchten. Außerdem würde die Schließung zu einem Wegfall der Vergnügungssteuer führen.
Zahlen aus Stuttgart zeigen die Probleme noch einmal recht klar: In der Stadt sind 121 Spielhallen, wobei 35 von der 500-Meter-Regelung betroffen sind. Da sich manchmal mehrere Spielotheken in einem Gebäude befinden, geht es um 25 Standorte. Bis zum 28. Februar konnte man in Stuttgart Härtefallanträge stellen und für alle 121 Spielhallen wurde dies gemacht. Die endgültigen Bescheide lassen aber auf sich warten, da die zwei Personalstellen für den Bereich Spielrecht für eine solche Mehrarbeit nicht ausreichen, so zumindest berichtet die Stuttgarter Zeitung . Bisher hat man sich eher auf einfache Sachverhalte konzentriert und sich vor allem um die Außenbezirke gekümmert, da hier die Entscheidung nicht so zeitaufwendig sei.
Ähnliche Zahlen sind aus Freiburg bekannt, wo 31 von 34 Spielhallen Härtefallregelungen beantrag haben, oder Kehl, wo 22 von 28 Spielotheken eigentlich schließen müssten.
Worin besteht das Problem beim Vollzug des Gesetzes?
Bisher spürt man zumindest in Baden-Württemberg noch nicht viel von den neuen Regelungen des Glücksspielvertrages. Die FAZ berichtet beispielsweise, dass in Weil am Rhein 10 von 14 Spielotheken geduldet werden. Zwar wurden am 11. Dezember 2015 vom baden-württembergischen Wirtschafts- und Finanzministerium „Anwendungshinweise“ zum neuen Glücksspielgesetz ausgegeben, aber dennoch ist die Unsicherheit in den Stadtverwaltungen recht groß. Außerdem ist Weil am Rhein in direkter Nähe zur Schweizer Grenze und viele Touristen kommen auch wegen den Spielhallen dorthin. Eine Sprecherin der Stadt sagte daher Folgendes:
Es ist sehr schwierig, nach der Härtefallregelung zu entscheiden, uns fehlt eine Matrix. Damit keine Rechtsunsicherheit aufkommt, haben wir jetzt Duldungen ausgesprochen
Das Problem ist jedoch, dass die Rechtmäßigkeit solcher „Duldungserklärungen“ fraglich ist. Im Verwaltungsrecht sind solche Vereinbarungen nicht vorgesehen. Auch wenn sich einige über die Zurückhaltung beim Vollzug des neuen Gesetzes empören, muss man an dieser Stelle doch sagen, dass der Begriff der „unbilligen Härte“ nicht sehr präzise formuliert wurde. Die Fachbeamten des Wirtschaftsministeriums definierten es wie folgt:
Bei dem Begriff der unbilligen Härte handelt es sich um einen gerichtlich voll nachprüfbaren unbestimmten Rechtsbegriff, welcher nur durch Einzelfallentscheidungen ausgefüllt werden kann.
Was ändert sich jetzt eigentlich?
Zunächst ändert sich deutschlandweit nicht viel, es sind nur wenige Spielhallenschließungen wirklich bekannt. Aber letztlich gelten auch die Härtefallregelungen nur bis zum Jahre 2021, da dann der Glücksspielstaatsvertrag endet. Bis dahin können sich die Betreiber nach neuen Geschäftsmodellen umsehen. Eine Möglichkeit sind hier sogenannte „Spielbistros“, also Kleinstgaststätten mit bis zu 3 Spielautomaten. In Weil am Rhein beispielsweise gibt es davon bereits 54 Standorte.